Capoeira

Was ist Capoeira?

Capoeira ist eine Kampfkunst aus Brasilien. Heute wird die Auffassung vertreten, dass angolanische Sklaven, die seit Beginn des 16. Jahrhunderts nach Brasilien gebracht wurden, ausgehend von traditionellen angolanischen Tänzen und Riten, die Capoeira entwickelten. Es wird angenommen, dass die Sklaven sich mit der Capoeira in den freien Minuten vergnügten und gleichzeitig Körper und Geist für Kampfsituationen schulten. Da die Sklavenherren die Ausübung eines Kampfes verboten, musste den gefährlichen Bewegungen der Capoeira ein tänzerischer Charakter gegeben werden. Ob diese Theorie stimmt und die Sklaven überhaupt den nötigen Freiraum dazu hatten, lässt sich heute nicht mehr beweisen, da die meisten Dokumente mit Beendigung der Sklaverei zielgerichtet vernichtet wurden.

Im 17. Jahrhundert gründeten entflohene Sklaven etliche Quilombos (selbstverwaltete Gebiete/versteckte Wehrdörfer), in denen sich die Capoeira weiterentwickeln konnte. Die Bewohner von Palmares, dem bekanntesten Quilombo, führten einen jahrzehntelangen Verteidigungskrieg mit den von den Kolonisatoren eingesetzten Verfolgern. Die ehemaligen Sklaven setzten Capoeira nicht nur im direkten Kampf ein, auch ihre Kampftechnik wies Züge der Capoeira auf – scheinbares Aufgeben durch Zurückweichen in ihnen bekannte Gebiete, um dann die Verfolger mit einem Überraschungsangriff zu überwältigen.

Auch nach Abschaffung der Sklaverei war die Capoeira weiterhin verboten. In den Städten wurde dennoch von der armen Bevölkerung bei Straßenfesten, in den Arbeitspausen und bei anderen Gelegenheiten Capoeira auf der Straße gespielt, wobei es nicht nur durch das Eingreifen der Polizei häufig zu Tumulten kam. Durch härteste Verfolgung und Bestrafung der Capoeiristas verschwand die Capoeira in den 1920er Jahren nahezu vom Straßenbild.

Trotz des Verbotes wurden in Salvador von Mestre Bimba und Mestre Pastinha die ersten Capoeira-Schulen gegründet. Mestre Bimba kreierte durch hinzufügen weiterer Bewegungen einen neuen, offenen Stil, die Capoeira Regional (in Abgrenzung zu der traditionellen Capoeira Angola), und es gelang ihm, die politischen Machthaber vom kulturellen Wert der Capoeira zu überzeugen.

Anders als z.B. in asiatischen Kampfkünsten bezieht die Capoeira ihre Kraft und Energie aus der Musik. Die Musiker und alle weiteren Capoeiristas bilden einen Kreis, die Roda de Capoeira, in der sich zwei „Spieler“ begegnen, um die erlernten Bewegungen im freien Spiel zu praktizieren. Ziel des Spieles ist es nicht, den Anderen durch Aggression zu „besiegen“, sondern sich in gekonntem Zusammenspiel durch geistige und körperliche Geschicklichkeit und Schnelligkeit die Grenzen aufzuzeigen.

In der Capoeira, wo Intuition und Improvisation gefragt sind, treffen die Gegensätze aufeinander: Kämpfen und Spielen, Aggressivität und Poesie, die Eleganz des Tanzes, die geschmeidige Kraft der Akrobatik, der Rhythmus der Musik und die Effektivität des Kampfes.


Das Spiel – Roda de Capoeira

Die Capoeiristas übten sich nach dem Ende der Sklaverei trotz Verbot in der Roda (portugiesisch = Rad), einem Kreis aus Menschen, die eng um die Spielenden standen. Von außen konnten Beobachter nur eine Menschenmenge erkennen, die zu dem Takt der Berimbau klatschten und sangen – in der Roda selbst aber wurde Capoeira gespielt. Näherte sich jedoch die Polizei, um zu sehen was vor sich ging, wurde die Roda entweder schnell aufgelöst oder es wurde ein anderer Rhythmus gespielt und zusammen Samba getanzt (Samba de Roda).

Traditionell läuft die Capoeira als Spiel in der so genannten Roda (sprich: hoda, mit offenem „o“) ab:
Dabei stehen alle Teilnehmer in einem Kreis, wobei sich an einer Stelle dieses Kreises die Musiker versammeln. Zentral sind dabei die Berimbau-Spieler, da der Berimbau den Rhythmus der Musik bestimmt (und somit die Spielart) – von dort wird das Spiel begonnen. Dabei hocken sich zwei Capoeiristas (oder Capoeiras auf portugiesisch) vor die Instrumente, schauen sich kurz an, geben sich die Hand (clap) und beginnen ihr Spiel in der Roda, traditionell mit einem Rad. Die Umstehenden klatschen ununterbrochen den Rhythmus und antworten auf die Lieder des Vorsängers mit den passenden Refrains. Innerhalb des Kreises spielen die zwei Capoeiristas miteinander. Zwischen beiden wird kein Punktekampf ausgefochten, sondern sie führen eine Art von körperlichem Dialog aus, die „Worte“ sind dabei die verschiedenen Offensiv- und Defensiv-Bewegungen. Auf jede Offensiv-Bewegung folgt eine Defensiv-Bewegung des anderen, aus einer Defensiv-Bewegung wird fließend eine Offensiv-Bewegung. Diese Sequenzen von wechselseitigen Bewegungen werden so zu einem freien Spiel, ohne jegliche verbale Abstimmung. Ob dabei eher die Kooperation oder die Konfrontation im Vordergrund steht, entscheiden die Spieler selbst (und sollte generell auch zur vorgegebenen Spielart passen). Am Ende steht kein Gewinner oder Verlierer fest, sondern die Capoeiristas entscheiden selbst, wann sie dieses „Frage-und-Antwort-Spiel“ beenden. Jeder der Umstehenden kann sich jedoch vorher in das Spiel einkaufen (aus dem portugiesischen comprar = kaufen). Dabei markiert man zuerst wachsam und doch bestimmt seine Absicht das laufende Spiel zu übernehmen (indem man einen ausgestreckten Arm zwischen die Spielenden hält, die Handfläche ist demjenigen zugewandt mit dem man von nun an „spielen“ möchte), und setzt dann mit einem der beiden Capoeiristas ohne Unterbrechung das Spiel fort. Auf diese Art ist gewährleistet, dass jeder der Teilnehmer spielen und sich mit anderen messen kann – eine Roda mit genug Teilnehmern kann stundenlang laufen.


Instrumente

Berimbau

Der Berimbau ist das Hauptinstrument und gibt den Takt an.

Ein Berimbau besteht aus einem Bogen aus speziellem Holz, an dessen Enden ein starker Stahldraht befestigt ist. Ein normaler Draht wäre zu schwach und würde nicht den erwünschten Ton erzeugen.
Am unteren Ende wird ein Hohlkörper befestigt, die „Cabaça“ (ausgehöhlter Kürbis). Sie sollte erst verwendet werden, wenn sie ganz trocken ist, in keinem Fall noch grün. Die Resonanz hängt zudem von der Größe der Cabaça ab. In der Cabaça sind zwei Löcher, durch die ein Stück Kordel gezogen wird, welches die Kalebasse am Holzbogen und am Stahldraht hält.

Gespielt wird der Berimbau mit einem Stein oder einer alten Münze, einem feinen Holzstock (Baqueta, ca. 25-30 cm lang) und einer Caxixi (s. unten).

Der Berimbau-Spieler schlägt die Saite an, erzeugt gleichzeitig mit Stein oder Münze die Töne an der Saite und steuert zudem die Lautstärke der Töne mit der Resonanzöffnung der Cabaça.

Die Berimbaus unterteilen sich je nach Tonhöhe, die sie erzeugen können in:
Viola – Hoher Ton
Médio – Mittlerer Ton
Gunga – Tiefer Ton

Pandeiro

Das Pandeiro, in Deutschland besser bekannt als Tamburin, kam aus Portugal nach Brasilien – man nimmt jedoch an, dass es einen Hindu-Ursprung hat. Die Sklaven verwendeten es an ihren Festen. Das Pandeiro wurde bereits auf der ersten Corpus Christi Prozession in Brasilien, welche am 13. Juni 1549 in Bahia stattfand, verwendet.

Atabaque

Dieses Schlaginstrument ist arabischen Ursprungs und kam durch die Portugiesen nach Brasilien – es war den Afrikanern jedoch bereits bekannt.

Caxixi

Das Caxixi ist ein kleines, geflochtenes Körbchen aus Stroh auf einem Stück Cabaça. Am Kopfende ist eine Schlaufe aus Stroh, durch welche man das Instrument mit den Fingern hält. Im Caxixi sind trockene Samen, Körner oder kleine Steinchen, die durch die Handbewegung des Berimbauspielers den charakteristischen Ton erzeugen und das Berimbauspiel begleiten.


Geschichte „Capoeira Göttingen“

Im damaligen Capoeira-Kurs des Hochschulsports gab es mehrere Teilnehmer, die abseits des Hochschulsports mehr Capoeira trainieren wollten. Im April 2008 bildete sich eine kleine Gruppe aus Trainierenden, die aus verschiedenen Capoeiragruppen kamen.
Im Mai 2008 wurde bei einem Workshop in Wolfsburg Kontakt mit (damals) Graduado Fumaça aufgenommen. Nach kurzen Überlegungen schlossen wir uns im Juli 2008 Graduado Fumaça (Capoeira NAGO) an und hatten im August 2008 unsere erste Batizado (in Wolfsburg).

Durch das Wachstum der neuen Gruppe mussten zusätzliche und verlässliche Trainingszeiten organisiert werden. Im Frühjahr 2009 kam es zur Zusammenarbeit und Eingliederung in den Shotokan Göttingen e.V., wo wir von den eigenen Trainingsräumen des Karatevereins profitierten – seitdem standen uns weitere Trainingszeiten zur Verfügung.

Aufgrund steigender Anfragen für Kindertraining boten wir dieses seit April 2010 an – auch unsere Kindergruppe erfreute sich wachsender Beliebtheit.

Nachdem Formado Fumaça einen Wechsel zu seinem Freund Mestre Bigodinho (Capoeira VIP) beschlossen hatte, entschieden wir uns weiter mit Formado Fumaça zusammenzuarbeiten und ebenfalls die Gruppe zu wechseln. Im Mai 2011 wurden wir offiziell, mit der Batizado in Köln, in die Gruppe Capoeira VIP integriert.

Im März 2014 gründeten wir unseren eigenen Verein, Capoeira Göttingen e.V., und mieteten in den Räumen des Shotokan Göttingen einen eigenen Trainingsraum an, um zeitlich unabhängiger zu sein.

Nachdem Professor Fumaca 2015 verkündete mit Capoeira aufzuhören, suchten wir den Kontakt zu unserem langjährigen Freund Professor Soldado in Hamburg. Seit Juni 2016 gehören wir nun zur Gruppe Capoeira Aruanda unter der Leitung von Contramestre Soldado (Hamburg/Deutschland) und unserem Mestre Borracha (Sydney/Australien).

Aus diversen Gründen beschlossen wir Ende 2021 die Auflösung unseres eigenständigen Vereins und sind seit Januar 2022 offiziell eine Abteilung des TWG 1861 e.V., am neuen Trainingsort im Vereinshaus Grone.